Publik-Forum 17/2022
Die überforderte Gesellschaft
Corona, Klima, Krieg – vom Leben in der Dauerkrise
Liebe Leserin, lieber Leser,
er lese keine Nachrichten mehr. Der mir das gesagt hat, ist ein kluger, belesener, politisch wacher Mann. Vor den immer neuen Details der Weltkrisen müsse er sich aber mittlerweile schützen, sagt er. Nicht noch einen Film vom Sterben in der Ukraine. Nicht noch eine Spekulation darüber, wie kalt und verseucht der Winter werden wird. Nicht noch mehr Nachrichten von Dürren und Überschwemmungen. Dieser Mann ist nicht allein, sagt der Münchner Soziologe Armin Nassehi. Der permanente Krisenmodus überfordert eine Gesellschaft, die sich schnell und gründlich ändern müsste, aber doch träge ist in ihrer Vielfalt und Komplexität (Seite 12).
Diese Trägheit lässt unsere Kollegin Barbara Tambour verzweifeln: Wir genießen den heißen Sommer und verdrängen unser Wissen um die Erderwärmung; wir simulieren Normalität. Ihr sind die Menschen sympathisch, die sich auf dem Asphalt festkleben, um die Normalität, den Betrieb zu stören – selbst, wenn sie manchmal übers Ziel hinausschießen. Die Propheten der hebräischen Bibel argumentierten auch nicht immer schön ausgewogen, schreibt sie; Stoff zum Nachdenken und Weiterdiskutieren auf Seite 10.
Wie prophetisch können die Kirchen wirken in dieser zerrissenen, unheilen Welt? Und sind sie nicht oft mehr Teil des Problems als der Lösung? Neun Tage lang berieten in Karlsruhe die Abgesandten von mehr als 350 Kirchen über globale Klimagerechtigkeit, über Krieg und Frieden. Christoph Fleischmann war dort, seine Reportage darüber, was Julia Rensberg und James Bhagwan der Christenheit zu sagen haben, beginnt auf Seite 30. Beschlüsse fasste die Versammlung erst nach unserem Redaktionsschluss – Berichte und Kommentare dazu finden Sie auf www.publik-forum.de
Und es gibt eine Nachricht in eigener Sache: Seit September bin ich Chefredakteur von Publik-Forum. Alexander Schwabe, der dieses Amt vier Jahre inne hatte, möchte wieder schreiben; er bleibt uns als Autor erhalten. Ihm gilt mein herzlicher Dank: Ohne ihn stünde Publik-Forum nicht dort, wo es heute steht. Und ich freue mich, mit einem großartigen Team eine spannende Zeitschrift zu machen, die informiert, zum Nachdenken und Diskutieren anregt, die manchmal aufregt – die zu lesen aber immer wieder Freude bereitet!
Herzlich grüßt Ihr
Matthias Drobinski
Verlag: Publik-Forum; 64 Seiten
Bestellnummer: 2217