Publik-Forum 18/2022
Uneins
Der Osten Deutschlands lebt, denkt und fühlt noch immer anders als der Westen
Liebe Leserin, lieber Leser,
als ich 1992 zur Welt kam, war die Teilung Deutschlands offiziell schon Geschichte. Als Kind in der rheinland-pfälzischen Provinz konnte ich mir das kaum vorstellen: Eine Mauer mitten durch Berlin? Eine Grenze in Deutschland? Eine Revolution? Die Geschichten darüber klangen wie Märchen, dabei ging es um eine Zeit, die noch gar nicht lange her war. Obwohl es für mich und meine Generation nur ein Deutschland gab, blieb die Trennung Realität. Meine Freundinnen, die zum Studieren weit weg wollten, gingen nach München oder Frankfurt am Main. Warum eigentlich nicht nach Jena?
Einige dieser Freundinnen sind in den vergangenen Jahren dann doch nach Dresden oder Leipzig gezogen – drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist das endlich normal. Doch viele Teile Ostdeutschlands bleiben kulturell abgehängt. Von ihnen erzählt Cornelius Pollmer in seiner Titelgeschichte (Seite 12): ländliche Gegenden, für die es viele düstere Prognosen gibt und in denen immer weniger Menschen wohnen. Sein Text über das Gefühl, als Sachse »heimatbetroffen« zu sein, ist eine Einladung, diese Regionen aus einer ungewohnten Perspektive zu betrachten.
Auf sehr viel weiter entfernte Weltgegenden blicken gleich mehrere Texte in diesem Heft, etwa das Interview mit einem Katastrophenhelfer in Pakistan (Seite 22). Seine Schilderungen machen die Lebensrealität der Menschen dort begreifbar und holen die Überschwemmungen ins Bewusstsein zurück. Im Ressort Religion und Kirchen schreibt Octavio Enriquez darüber, wie in Nicaragua vor den Kommunalwahlen kritische Kirchenmänner zum Schweigen gebracht werden sollen (Seite 32).
Kurzzeitig abgeschnitten vom Rest der Welt war der Raum in den Frankfurter Messehallen, in den sich die deutschen Bischöfe während der Synodalversammlung immer wieder zu Beratungen zurückzogen. Wie sie dort die notwendige Zweidrittelmehrheit für die verhandelten Texte fanden, bleibt ein Geheimnis. Was die Ergebnisse dieses Zusammenraufens für die synodale Achterbahnfahrt bedeuten, analysiert Michael Schrom (Seite 38).
Viele überraschende Perspektiven wünscht Ihnen
Judith Bauer
Verlag: Publik-Forum; 64 Seiten
Bestellnummer: 2418