Gottesvergiftung

Gottesvergiftung

Wenn der Glaube Angst macht

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich habe gute Erinnerungen an meine Jugendzeit in der katholischen Kirche. Wir hatten einen Pfarrer, der wollte, dass wir selbstständig sind und eigenständig denken. Über die KJG, die Katholische Junge Gemeinde, kam ich aus dem Dorf heraus, schrieb meine ersten Artikel, ging auf erste Demonstrationen; Frömmigkeit und Engagement gehörten für uns zusammen. Innerkirchlich waren wir Opposition und wollten, dass alles anders wird; trotzdem war diese Kirche: Heimat.

Dass anderen Menschen zur gleichen Zeit in der gleichen Kirche Gewalt angetan wurde, sexualisierte, seelische, spirituelle, wusste, ahnte ich irgendwie. Was das aber bedeutet, begriff ich erst, als ich als Journalist ihre Geschichten aufschrieb und das Kirchenbild der Jugend zerbrach. An all das muss ich denken, wenn ich die, mich sehr berührende, Geschichte von Christoph Fleischmann lese. Als Jugendlicher bekam er in einer frommen Gruppe ein angstmachendes Gottesbild vermittelt. »Wie heilt man eine Gottesvergiftung?«, fragt er in seinem Essay und beschreibt seinen persönlichen, mühsamen Weg in die Freiheit (Seite 12). Ein Text über religiöse Herkünfte, Erfahrungen und Prägungen, den ich Ihnen ans Herz lege. Illustriert hat ihn der Grafiker Jens Bonnke. Es ist eindrucksvoll, wie er die Stimmung dieses Essays visualisiert.

Auch in diesem Heft widmen wir uns den ernsten Themen der Gegenwart. Der Psychologe und Konfliktforscher Friedrich Glasl plädiert für Verhandlungen im Ukrainekrieg: Auch der Westen müsse etwas tun, um die Konfliktlogik zu durchbrechen, sagt er (Seite 20). Wir beschäftigen uns mit dem furchtbaren Anschlag in Solingen (Seite 10) und den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen (Seite 40 und 52), wo die AfD vor Wahlerfolgen steht.

Zum Glück geht es in diesem Heft aber nicht nur um Krieg, Gewalt und Rechtsextremismus. Constantin Wißmann berichtet aus dem Dorf Hallstatt, das sich gegen zu viele Touristen wehrt (Seite 26). Charlotte Lyne schreibt über Michael Ende, der so unglücklich mit der Verfilmung seiner »Unendlichen Geschichte« war (Seite 44). Und Hilal Sezgin denkt über die Begeisterung für indigene Kulturen nach: Auch sie bieten nicht die heile Welt, die sich viele von ihnen erträumen, schreibt sie (Seite 36).

Eine inspirierende Lektüre wünscht Ihr

Matthias Drobinski

Verlag: Publik-Forum; 64 Seiten
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