Fromm und widerständig

Fromm und widerständig

Dorothee Sölle – eine Theologin für heute

Liebe Leserin, lieber Leser,

vor gut zwei Monaten waren wir uns in der Redaktion noch nicht einig, ob Dorothee Sölle auf den Titel dieser Ausgabe soll. Der zwanzigste Todestag einer bedeutenden Theologin, es ist der 27. April, das ist normalerweise kein Anlass für eine große Titelgeschichte. Aber: Sölle liegt gerade in der Luft. Es gibt viele Veranstaltungen in Akademien, junge Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich mit ihr. Und nicht zuletzt Bitten von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, doch etwas zu Sölle zu bringen, haben uns gezeigt: Die verstorbene Theologin und Schriftstellerin scheint heute noch – oder wieder – etwas zu sagen zu haben.

Und tatsächlich: Nachdem ich mir einige Bücher von ihr antiquarisch besorgt und manches zum ersten, anderes zum wiederholten Mal gelesen hatte, stellte ich fest: Das ist konkret und lebensnah, aber immer mehr als bloß Lebenshilfe. Da geht es mit allem Ernst um die großen Fragen des Glaubens – auf eine Weise, mit der Sölle zu Lebzeiten ungeheuer provoziert hat, bei der wir Späteren aber feststellen können: Was damals die Kirchenleute aufregte, füllt uns heute die beklemmende Stille, die entsteht, wenn wir nach glaubwürdigen Formen des Christseins suchen (Seiten 12 und 42).

Dass Stille nicht nur ein Zeichen von Beklemmung, sondern auch sehr bereichernd sein kann, zeigt ein Gespräch, das unsere Redaktionskollegin im Ruhestand, Eva-Maria Lerch, mit dem Musiker und Psychotherapeuten Eric Pfeifer geführt hat (Seite 44). Der erforscht die heilsame Wirkung von Stille und plädiert für eine Stille, die ohne spezielle Anleitung und Übung auskommt. Das, glaube ich, wäre nach Sölles Geschmack: Sie wollte die Mystik »demokratisieren«, keine geistlichen Eliten züchten, sondern die Empfindsamkeit wecken, die in uns allen steckt.

Judith Bauer hat die Gemeindereferentin Marianne Arndt aus dem Erzbistum Köln begleitet (Seite 40). Eine Frau, bei der Dorothee Sölle, so stelle ich mir vor, Gott entdeckt hätte; von der sie vielleicht auch gesagt hätte: »Dieses X, das wir suchen, ist in ihr, die Anteilhabe am Sinn des Lebens.« Eine Frau, die nach unten hin verbindet und nach oben hin widersteht.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Christoph Fleischmann

Verlag: Publik-Forum; 64 Seiten
Bestellnummer: 4408
Weiterempfehlen:
6.50 €
/
9.00 CHF
inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten

Das könnte Sie auch interessieren

Mit meinem Konto anmelden
Später anmelden
E-Mail-Adresse/Passwort nicht korrekt.