Arm dran

Arm dran

Jasmin Fischer rackert sich täglich ab. Und doch reicht es nicht fürs Nötigste

Liebe Leserin, lieber Leser,

mein erster Evangelischer Kirchentag war 1985 in Düsseldorf. Damals gab es noch die lila Tücher, die zwei Jahre zuvor schon den Kirchentag geprägt hatten: »Umkehr zum Leben«, stand da drauf, »Für ein Nein ohne jedes Ja zu Massenvernichtungswaffen«. Die Kirche war damals eine politische Kraft, die Menschen für das Ziel der Abrüstung mobilisieren konnte. Da hat es mich schon berührt, dass beim Kirchentag in Nürnberg nur rund 150 Leute zur Friedensdemonstration gekommen sind. Zwei oder drei lila Tücher habe ich dort gesehen. Wir gleiten in ein neues Zeitalter der Hochrüstung, aber in der Kirche scheint das nur noch wenige zu bewegen. Diese und andere Eindrücke vom Kirchentag in Nürnberg finden Sie ab Seite 30.

Auch nach dem mehr als fragwürdigen EU-Asylkompromiss scheinen die Engagierten in den Kirchen eher Wunden zu lecken (Seite 28) und Angst vor dem Aufstieg der AfD (Seite 20) zu haben, als in die Offensive zu kommen und die Politik zu fragen: Welche Lösung bieten Schnellverfahren an der EU-Grenze? Warum schieben wir manche Menschen ab und werben andere an? Haben wir nicht die Kraft, diejenigen, die hier sind, auszubilden? Müssen schwächere Länder für uns die Ausbildungskosten tragen?

Politisch brisant wird die Kirche scheinbar erst, wenn ein Pastor sagt, dass Gott queer ist (Seite 30). Da bricht ein Shitstorm über ihn herein. Ja, was soll Gott denn sonst sein? Etwa ein heterosexueller Mann? Er schuf nach dem biblischen Mythos den Menschen nach seinem Bilde als Mann und Frau, muss also irgend etwas sein, was Geschlechtergrenzen überschreitet. Schwule, lesbische, bisexuelle, nonbinäre, transgeschlechtliche Menschen gibt es seit Anbeginn der Menschheit. Und auch queere Christen trauen sich heute in die Öffentlichkeit (Seite 44).

Ganz besonders möchte ich Ihnen unsere Titelgeschichte ans Herz legen (Seite 12). Meine Kollegin Nana Gerritzen ist einer Frau wirklich nahe gekommen, die in unserem reichen Land arm ist. Was es bedeutet, arm zu sein, kann man da jenseits aller Klischees lernen. Es geht nicht nur ums Geld, sondern – auch oder vielleicht viel mehr noch – um Sicherheit, Angst, Scham und ein gutes Selbstwertgefühl.

Eine bereichernde Lektüre wünscht Ihnen

Christoph Fleischmann

Verlag: Publik-Forum; 64 Seiten
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